MICHAEL Rechtsanwaelte

VG Hannover: Schulverweis nach Beleidigung im Internet rechtmä

6 B 3325/06
VG Hannover
Beschluss vom 07.06.2006
Leitsatz/Leitsätze

1. Zu den Schülerpflichten zählt auch die Beachtung der Persönlichkeitsrechte der Lehrkräfte.
2. Die Geltung der Persönlichkeitsrechte der Lehrkräfte, insbesondere im außerschulischen, durch den Begriff der Privatsphäre gekennzeichneten persönlichen Bereich, stellt eine Grenze dar, die von Schülerinnen und Schülern nicht überschritten werden darf. Aus dem Entscheidungstext
I.
Der Antragsteller ist 12 Jahre alt und Schüler der Klasse 6b der Antragsgegnerin, einer Realschule in I..

Am 24. Februar 2006 hatte ein Lehrer der Antragsgegnerin deren Schulleiter davon in Kenntnis gesetzt, dass in einem Chatroom (Single-Chat) im Internet Usernamen benutzt würden, die mit den Namen von fünf Lehrkräften der Schule identisch seien und dass unter diesen Chatnamen Lehrkräfte der Schule unter anderem mit sexuellen Begriffen und Unterstellungen beleidigt und beschimpft worden seien. Auch sein Vor- und Familienname werde dabei für ein Userprofil verwendet. Daraufhin beobachtete der Schulleiter der Antragsgegnerin den Chatroom am 26. Februar 2006, wobei er die an jenem Tag unter den Profilen mit dem Namen von vier Lehrkräften der Schule geschriebenen Beiträge ausdruckte.

Nachdem der genannte Lehrer Anzeige erstattet hatte, fand am 8. März 2006 in der Schule in Gegenwart des Schulleiters ein Gespräch zwischen zwei Polizeibeamten und dem Antragsteller statt. In diesem Gespräch gab der Antragsteller zu, unter dem Namen der Lehrerin K. ein Userprofil erstellt und bis auf eine Ausnahme die Eintragungen vorgenommen zu haben, die sich in dem von dem Schulleiter an einem Wochenende gefertigten Seitenausdruck fanden. Am 22. März 2006 fand eine Klassenkonferenz der Klasse 6b statt, in welcher der Antragsteller einräumte, das Nutzerprofil mit dem Namen der Lehrerin K. eingerichtet, aber nicht alle Äußerungen unter diesem Profil abgegeben zu haben. Vielmehr seien auch Klassenkameraden daran beteiligt gewesen. Er habe im Chat nur Wörter wie „hässlich“ und „doof“, aber keine Äußerungen mit sexuellem Inhalt verbreitet. Die Klassenkonferenz beschloss, den Antragsteller an eine andere Realschule, die Realschule J., zu überweisen, die sofortige Vollziehung dieser Ordnungsmaßnahme anzuordnen und den Antragsteller bis zur Genehmigung der Schulüberweisung durch die Schulbehörde vom Unterricht auszuschließen.

Mit Bescheid vom 23. März 2006 gab die Antragsgegnerin den Eltern des Antragstellers diese Entscheidungen bekannt. Dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 4. April 2006 Widerspruch. Auf seinen Antrag hob das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Überweisung des Antragstellers an eine andere Realschule mit Beschluss vom 3. Mai 2006 im Verfahren 6 B 2582/06 auf; zugleich stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Ausschluss des Antragstellers vom Unterricht aufschiebende Wirkung hatte.

Die Landesschulbehörde wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2006 als unbegründet zurück, soweit sich der Widerspruch gegen die Überweisung an eine andere Schule richtete. Zugleich ordnete Sie in dem Widerspruchsbescheid die sofortige Vollziehung der Überweisung des Antragstellers an eine andere Realschule an.

Der Antragsteller hat am 26. Mai 2006 Klage im Hauptsacheverfahren 6 A 3372/06 erhoben und im vorliegenden Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung der Schulüberweisung nachgesucht.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, die aufschiebende Wirkung seiner Klage müsse wiederhergestellt werden, weil die Widerspruchsbehörde die Anordnung des Sofortvollzuges im Widerspruchsbescheid nicht ausreichend begründet habe und seine Überweisung an eine andere Schule rechtswidrig sei. Insoweit fehle es an einer groben Pflichtverletzung, zumal das bisherige Verfahren bei ihm eine nachhaltige Wirkung gezeigt habe. Vorgeworfen würden ihm allenfalls geringfügige Beleidigungen in Gestalt eines unreflektierten pubertären Gehabes, von denen er sich, soweit sich die beleidigenden Äußerungen auf sexueller Ebene bewegten, eindeutig distanziert habe. Schließlich lasse die floskelartige Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erkennen, dass sich die Behörde mit seinen Belangen auseinandergesetzt habe und die Aufrechterhaltung eines geordneten Schul- und Unterrichtsbetriebes eine sofortige Reaktion der Schule erfordere. Gleiches gelte für die Behauptung, dass sein Verhalten Beeinträchtigungen bzw. schwere Störungen des Schulfriedens hervorgerufen habe. Für ihn stelle dagegen der Wechsel auf eine andere Schule während des laufenden Schuljahres eine völlig unverhältnismäßige Belastung dar.

Der Antragsteller beantragt,

ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., I., Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 23. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2006 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, sie gehe davon aus, dass der Antragsteller unter dem Usernamen K. Einträge im Internet vorgenommen habe. Diese seien von Lehrkräften der Schule als verunglimpfend und ehrverletzend empfunden worden. Die Behauptung, auch andere Schüler würden hierfür die Verantwortung tragen, habe der Antragsteller nicht konkretisiert. Selbst wenn er nach seinen nicht glaubhaften Einlassungen einige Texte nicht erstellt und andere Schüler ihn bedroht hätten, wäre er nach der Weitergabe seines Passwortes für die entsprechenden beleidigenden und sexistischen Inhalte auf der Internetseite verantwortlich gewesen. Welche Maßnahme die pädagogische Antwort auf das Fehlverhalten des Antragstellers sei, beurteile sich nicht nach strafprozessualen Gesichtspunkten. Vielmehr könne dabei auch sein vertrauensschädigendes Verhalten bewertet werden. Dieses bestehe darin, zunächst angesichts der Beweislage in Anwesenheit von Polizeibeamten alles zuzugeben zu haben und sich sodann auf angeblich fehlende Beweise zu berufen. Das Verhalten des Antragstellers in der Konferenz zeige vielmehr, dass er seine Tat nicht ernsthaft bereue und sich mit ihr nicht ernsthaft auseinandergesetzt habe.

II.

Der Prozesskostenhilfeantrag …

Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, vorläufig von den Wirkungen des angefochtenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsaktes. Dabei darf das Verwaltungsgericht die absehbaren Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs berücksichtigen. Bestehen nach dieser summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, ist dem Antrag stattzugeben, da nach den Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 GG ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht vorliegen kann (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Bestehen solche Zweifel nicht, wird also der Rechtsbehelf in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, und ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet worden, so ist der Antrag abzulehnen. Danach hat auch der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz keinen Erfolg:

Die Landesschulbehörde war in ihrer Funktion als Widerspruchsbehörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO berechtigt, die sofortige Vollziehung der Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule in dem Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2006 erneut anzuordnen. Die wegen des Fehlens einer schriftlichen Begründung erfolgte Aufhebung der ursprünglichen Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Mai 2006 (6 B 2582/06) hinderte die Widerspruchsbehörde nicht, unter Nachholen der vorgeschriebenen schriftlichen Begründung eine neue Anordnung des Sofortvollzugs zu treffen. Denn die Vollziehbarkeitsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist weder ein Verwaltungsakt, noch entfaltet sie materielle (Tatbestands-) Wirkungen. Als unselbständiger Teil der durch den Verwaltungsakt getroffenen Regelung beseitigt sie als bloße Verfahrenshandlung mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur ein Vollziehungshindernis. Deshalb kann schon vom Grundsatz her ein rechtlich anerkannter Vertrauensschutz, zukünftig von der erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung verschont zu bleiben, nicht eintreten (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rdnr. 182 m.w.N.).

Die Landesschulbehörde hat auf den Seiten 4 und 5 ihres Widerspruchsbescheides eine dem Formerfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechende schriftliche Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsmaßnahme abgegeben. Diese Begründung lässt die aus Sicht der Behörde entscheidenden Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs formell erkennen. Die gegen den Inhalt der Begründung erhobenen Einwände des Antragstellers betreffen nicht die Frage, ob die Begründung formell ausreichend ist, sondern ob die genannten Gründe die sofortige Durchsetzung der Ordnungsmaßnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht tragen. Dieser Frage ist im Rahmen der nachfolgenden Interessenabwägung nachzugehen.

Die Interessenabwägung geht zu Ungunsten des Antragstellers aus, weil nach summarischer Prüfung des Sachverhalts keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Ordnungsmaßnahme vom 23. März 2006 bestehen. Die Klage des Antragstellers gegen diesen Bescheid wird aller Voraussicht nach nicht erfolgreich sein.

Rechtsgrundlage für die Überweisung des Antragstellers an eine andere Realschule ist § 61 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 NSchG. Danach kann ein Schüler im Wege einer Ordnungsmaßnahme an eine andere Schule derselben Schulform überwiesen werden, wenn er seine Pflichten grob verletzt (Abs. 2), insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstößt, den Unterricht nachhaltig stört, die von ihm geforderten Leistungen verweigert oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleibt.

In formeller Hinsicht hat die Antragsgegnerin die für die Anordnung dieser Maßnahme nach § 61 Abs. 5 Satz 1 NSchG erforderliche Klassenkonferenz am 22. März 2006 durchgeführt und dem Antragsteller sowie seinen Erziehungsberechtigten dabei Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die nach § 61 Abs. 7 NSchG erforderliche Genehmigung der Schulbehörde ist dem Vortrag der Antragsgegnerin im Verfahren 6 B 2582/06 zufolge zwischenzeitlich erteilt worden.

In materieller Hinsicht geht die Kammer mit der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Antragsgegnerin ihrer Ordnungsmaßnahme einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Unstreitig ist danach, dass der Antragsteller unter dem Namen der an seiner bisherigen Schule beschäftigten Lehrerin K. ein Userprofil eingerichtet und unter diesem Profil in einer für eine bestimmte Zielgruppe (Singles) eingerichteten Internet-Plattform (Chat) Beiträge verfasst hat, nachdem der Antragsteller dieses zunächst am 10. März 2005 in Gegenwart des Schulleiters bestritten hatte (Bl. 14 Beiakte A). Unstreitig ist auch, dass nach Einloggen mit diesem Userprofil und dem dazu angelegten Kennwort zur Konversation im Chat teils abfällige, teil obszöne Äußerungen abgegeben worden sind. Unstreitig ist ferner, dass auch andere Userprofile unter den Namen von Lehrkräften der Schule angelegt worden waren, unter denen von einem Schüler einer 9. Klasse und einer Schülerin einer 8. Klasse Äußerungen vergleichbaren Inhalts abgegeben worden sind. Dabei hat die Kammer mit der Antragsgegnerin keinen Zweifel daran, dass allein der Antragsteller unter dem Userprofil mit dem Namen der Lehrerin K. am Chat teilgenommen hat. Seine in der Widerspruchsbegründung wiedergegebene Behauptung, nicht alle dokumentierten Äußerungen stammten von ihm, vielmehr trügen auch andere Mitschüler hierfür die Verantwortung, wirkt lebensfremd. Sie nimmt auf die Äußerung des Antragstellers in der Klassenkonferenz bezug, wonach er von vier namentlich genannten Schülern zu den beleidigenden Beiträgen im Chatroom gedrängt worden sei. Dieses wiederum passt nicht mit seiner gleichzeitig geäußerten Behauptung, er habe die beleidigenden Äußerungen nicht geschrieben, sondern nur Wörter wie „doof“ und „hässlich“ benutzt, zusammen. Ferner hat der Antragsteller nicht einmal ausdrücklich behauptet, dass (auch) er sein Passwort an andere weitergeben hätte, sondern in der Widerspruchsbegründung nur auf eine entsprechende Äußerung der ebenfalls an eine andere Schule überwiesenen Schülerin verwiesen. Auch hat er nicht offenbart, wie seine Mitschüler in den Besitz des von ihm vergebenen Kennwortes für das von ihm erstellte Userprofil gelangt sein sollten. Wenn der Antragsteller danach für seine diesbezüglichen Behauptungen keine greifbaren und nachvollziehbaren Tatsachen bezeichnet, die sich objektiv nachprüfen ließen, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass allein er unter dem Namen der Lehrerin K. über einen   längeren Zeitraum Beiträge im Internet verbreitet hat.

Für die Kammer besteht auch kein Zweifel daran, dass dieses Verhalten des Antragstellers eine grobe Verletzung seiner Pflichten als Schüler im Sinne von § 61 Abs. 2 NSchG darstellt. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung lässt sich der mit der Antragsbegründung zitierten Rechtsprechung der Kammer und anderer Verwaltungsgerichte nicht entnehmen, dass eine grobe Pflichtverletzung erst dann vorläge, wenn von Schülern Erpressungen, Bedrohungen, Gewalttätigkeiten, Rauschgiftdelikte, pornografische Darstellungen usw. ausgehen. Vielmehr zählt es auch zur Pflicht von Schülerinnen und Schülern, die Persönlichkeitsrechte aller im Schulalltag miteinander vereinten Menschen zu beachten. Daraus folgt, dass zum Beispiel beleidigende, abwertende oder entwürdigende Schüleräußerungen je nach Lage des Einzelfalles (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 3.6.2003 – 6 B 1848/03 – u. 1.4.2003 – 6 B 1318/03 -) zu Ordnungsmaßnahmen führen können. Zu den Schülerpflichten zählt dabei auch die Beachtung der Persönlichkeitsrechte der Lehrkräfte, deren Geltung insbesondere im außerschulischen, durch den Begriff der Privatsphäre gekennzeichneten persönlichen Bereich eine Grenze darstellt, die von Schülerinnen und Schülern nicht überschritten werden darf (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.5.1998 – 6 B 2226/98 -). § 61 Abs. 2 NSchG stellt klar, dass auch der Verstoß gegen andere als schulrechtliche Bestimmungen eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des Schulrechts sein kann. § 61 Abs. 2 NSchG erfasst somit auch Verletzungen geschützter Rechtsgüter anderer Personen. Hierzu zählen nicht nur die Straftatbestände der Beleidigung, der üblen Nachrede und der Verleumdung (§§ 185 ff. StGB), sondern auch andere Verletzungen des durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts.

Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Es umfasst nicht nur den Schutz der persönlichen Ehre, sondern soll allgemein die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleisten. Demzufolge ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu z.B. BVerfGE 72, 155, 170, m.w.N.) auch das Recht auf Selbstbestimmung im Bereich der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt. Dieses Grundrecht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seines Namens sowie dessen Weiterverbreitung im Zusammenhang mit Meinungsäußerungen und anderen Auftritten in der Öffentlichkeit zu bestimmen, steht auch Lehrkräften im Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern ihrer Schule zu. Auch sie verfügen insoweit über eine Privatsphäre, deren Achtung von jedem anderen am Schulleben Beteiligten verlangt werden darf. Auch in dieser Hinsicht trägt die Schule als staatliche Institution (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG) im Rahmen ihrer Bildungsarbeit eine Verantwortung für die Einhaltung der Grundrechte, wie dieses mit der Beschreibung ihres Bildungsauftrags in § 2 Abs. 1 NSchG zum Ausdruck kommt.

Die ohne Wissen und Genehmigung der Betroffenen vorgenommene Verbreitung der Namen von Lehrkräften der Schule in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Seite im Internet, die von diesen Lehrkräften gegen deren Willen ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das ihnen tatsächlich nicht zukommt und von den Betroffenen als beleidigend empfunden wird, ist danach eine schwer wiegende Pflichtverletzung, die Anlass zu einer Ordnungsmaßnahme sein kann. Das gilt insbesondere dann, wenn sich daran mehrere Schüler gemeinschaftlich beteiligen und damit rechnen müssen, dass diese Lehrkräfte anschließend im Bereich der Schulöffentlichkeit auf diese Weise der Lächerlichkeit und dem Gespött von Mitschülern und Mitschülerinnen ausgesetzt werden. Auch hierunter kann das für ein funktionierendes Schulleben unverzichtbare Vertrauensverhältnis zwischen Schülerinnen, Schülern und ihren Erziehungsberechtigten einerseits sowie Lehrkräften und Schulleitung andererseits nachhaltig leiden.

Dass die Antragsgegnerin im Fall des Antragstellers wie im Fall seines Mitschülers und seiner Mitschülerin dessen Beteiligung an den Beiträgen im Internet zum Anlass genommen hat, in an eine andere Realschule zu überweisen und damit von § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG Gebrauch zu machen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere verstößt die Ordnungsmaßnahme nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Vielmehr hat die Antragsgegnerin von dem ihr eingeräumten Ermessen, eine bestimmte Ordnungsmaßnahme aus dem Katalog des § 61 Abs. 3 NSchG auszuwählen, in einer der gesetzlichen Ermächtigung des § 61 Abs. 2 NSchG entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 40 VwVfG), denn sie hat hierbei erkennbar auf den Vertrauensverlust abgestellt, der im Verhältnis zwischen den Lehrkräften der Schulen und den beteiligten Schülern sowie der beteiligten Schülerin eingetreten ist.

Unverhältnismäßig ist die Überweisung an eine andere Schule auch nicht im Hinblick auf den Einwand des Antragstellers, dass er erst 12 Jahre alt, danach noch nicht strafmündig sei und es sich bei seinen Beiträgen im Internet allenfalls um geringfügige Beleidigungen in Gestalt eines unreflektierten pubertären Gehabes handele. Die Antragsgegnerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass es für die Schule nicht entscheidend ist, unter welchen strafrechtlichen Aspekten das Verhalten des Antragstellers zu beurteilen ist. Eine Ordnungsmaßnahme dient im Unterschied zu Erziehungsmitteln der Schule (§ 61 Abs. 1 NSchG) und zu Maßnahmen der Jugendgerichte nach dem Jugendgerichtsgesetz nicht vorrangig dazu, den Einzelnen erzieherisch zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Vielmehr sollen Ordnungsmaßnahmen in erster Linie die durch sein persönliches Fehlverhalten und das daraus möglicherweise resultierende Verhalten anderer Schülerinnen und Schüler gefährdete Ordnung des Schulbetriebs gewährleisten. Die Auswahl der Ordnungsmaßnahme darf sich deshalb an der pädagogischen Prognose dessen, was zur Beseitigung des gestörten Schulfriedens erforderlich ist, orientieren.

Hat die von einem großen Teil der Schulöffentlichkeit wahrgenommene grobe Pflichtverletzung eines oder mehrerer Schüler wie im vorliegenden Fall zu einem erheblichen Verlust des Vertrauens zwischen den Lehrkräften und der Schülerschaft geführt, kann die Ordnungsmaßnahme aus dem Katalog des § 61 Abs. 3 NSchG ausgewählt werden, die unter Wahrung des Bildungsanspruchs des betroffenen Schülers einen ungestörten Schulbetrieb voraussichtlich am Besten wiederherstellt. Dass dieses nach der Einschätzung der Antragsgegnerin die Überweisung des Antragstellers an eine andere Realschule ist, lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Tatsächlich gibt diese Ordnungsmaßnahme sowohl dem Antragsteller als auch den betroffenen Lehrkräften die Möglichkeit, unbelastet von gegenseitigen Vorbehalten die Arbeit im Unterricht fortzusetzen. Zugleich führt die Überweisung der an den Pflichtverletzungen Beteiligten an eine andere Schule dazu, dass einem eventuellen Misstrauen im Verhältnis zwischen den Lehrkräften und anderen, nicht beteiligten Schülerinnen und Schülern vorgebeugt wird.

Dass der Antragsteller sich durch die Ordnungsmaßnahme bedingt in den Stand des Unterrichts einer anderen Klasse derselben Jahrgangsstufe einarbeiten muss und dabei eventuell Versäumtes in Eigeninitiative nachholen muss, ist für sich gesehen ebenfalls noch nicht unverhältnismäßig, sondern liegt in der Natur dieser Ordnungsmaßnahme und wird von dem Gesetzgeber in Kauf genommen. Dasselbe gilt für die weiteren belastenden Folgen des Schulwechsels; auch diese sind keine unverhältnismäßigen Folgewirkungen, sondern die mit einer Entscheidung nach § 61 Abs. 3 Nr. 2 NSchG notwendigerweise einhergehenden Umstände.

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