OLG Saarbrücken: Pfändung in eine „offene Kreditlinie“ ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich
Ansprüche eines Bankkunden gegen ein Kreditinstitut aus einem vereinbarten Dispositionskredit (”offene Kreditlinie”) sind grundsätzlich pfändbar, wenn und soweit der Kunde den Kredit in Anspruch nimmt. Die Pfändung setzt allerdings voraus, dass die Bank zur Kreditgewährung verpflichtet ist und dem Kontoinhaber das Kapital zur freien Verfügung überlässt. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich die Kontobelastungen lediglich als bloß geduldete Kontoüberziehungen darstellen (OLG Saarbrücken, 20.7.2006, 8 U 330/05 – 98).
Der Sachverhalt:
Das klagende Land hatte wegen Steuerschulden sämtliche Konten des A. gepfändet. Hiervon war auch ein Girokonto bei der beklagten Bank betroffen, dass sich im Zeitpunkt der Pfändung mit rund 3.600 Euro im Soll befand und später bei einem Endsaldo von null Euro aufgelöst wurde. Zwischenzeitlich sind vom Konto insgesamt rund 8.400 Euro für Darlehenstilgungen, Beiträge für eine Kreditrahmenversicherung, Abschlusssalden und eine Mahngebühr abgebucht worden.
Der Kläger nahm den Beklagten auf Zahlung der 8.400 Euro im Anspruch. Er trug vor, dass den Abbuchungen ein Dispositionskreditvertrag zugrunde gelegen und er den hieraus resultierenden Darlehensauszahlungsanspruch wirksam gepfändet habe. Die Beklagte machte dagegen geltend, dass sie mit A. keinen Dispositionskreditvertrag geschlossen habe. Bei dem streitigen Vorgang handele es sich um reine Kontoüberziehungen, die sie nur deshalb geduldet habe, um damit die Tilgung anderer ihr gegenüber bestehender Verbindlichkeiten zu ermöglichen.
Die Zahlungsklage hatte sowohl vor dem LG als auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 8.400 Euro. Ansprüche des Bankkunden gegen ein Kreditinstitut aus einem vereinbarten Dispositionskredit („offene Kreditlinie“) sind nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 29.3.2001 (Az.: IX ZR 34/00 ) zwar grundsätzlich pfändbar, wenn und soweit der Kunde den Kredit in Anspruch nimmt. Das gilt aber nur, wenn die Bank zur Kreditgewährung verpflichtet ist und dem Kontoinhaber das Kapital zur freien Verfügung überlässt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Beklagte war gegenüber A. nicht zur Kreditgewährung verpflichtet, da sie die Kontoüberziehung lediglich geduldet hat. Eine solche Duldung kann nicht mit einer Kreditvereinbarung gleichgestellt werden, da der Bankkunde mangels Absprache mit der Bank in jedem Einzelfall darauf angewiesen ist, dass die Bank die Kontobelastung nach Prüfung zulässt. Ob sie die Überziehung duldet, liegt in ihrem Ermessen und begründet keinen – pfändbaren – Rechtsanspruch des Kontoinhabers.
Daneben hat die Beklagte dem A. den nach der Pfändung vom Konto abgebuchten Betrag auch nicht zur freien Verfügung, sondern lediglich zweckgebunden überlassen. Denn sie hat die Überziehung nur deshalb geduldet, weil A. hiermit hausinterne Darlehen bedient hat und es damit aus ihrer Sicht nur um Umkontierungen ging.
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