OLG Karlsruhe: Bankenstreit um Geldautomatennutzung durch Kunden anderer Banken
Die Parteien sind Mitgliedsbanken im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR). Der BVR hat mit dem Bundesverband der Deutschen Banken e.V., dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V. sowie dem Bundesverband öffentlicher Banken e.V. das deutsche ec-Geldautomaten-System begründet. Es stellt sicher, dass ein ec-Karteninhaber durch Eingabe einer persönlichen Geheimzahl in einen Geldautomaten unter Verwendung der Karte Bargeld an allen Automaten der teilnehmenden Kreditinstitute, also nicht nur an solchen seines Kreditinstituts, bekommen kann. Die Kundenbank ist gegenüber den Betreibern von ec-Geldautomaten verpflichtet, die ausgezahlten Beträge an die Betreiber zu vergüten. Darüber hinaus erhalten die Betreiber ein Entgelt für diese Dienstleistung von der Bank des Kunden.
Innerhalb des BVR gibt es seit 1997 ein „BankCard ServiceNetz“ für Kunden mit genossenschaftlichen VR-Bankcards, mit denen sie kostenlos Barabhebungen nicht nur bei ihrer Bank, sondern bei allen teilnehmenden Instituten vornehmen können. Für diese Fremdkundennutzung verrechnen die teilnehmenden Institute untereinander für jede Geldautomatenabhebung ein Entgelt in Höhe von höchstens 1,02 Euro pro Verfügung.
Die Klägerin und die Beklagte nehmen am BankCard ServiceNetz teil. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass das Verhältnis der wechselseitigen Kundenabhebungen nicht ausgewogen lief – d.h. dass mehr Kunden der Klägerin die Geldautomaten der Beklagten benutzten als umgekehrt – belastete sie die Klägerin seit März 2004 mit mindestens 3,50 Euro pro Vorgang. Die Klägerin erhob deshalb Klage zum Landgericht Heidelberg und verlangte die abredewidrig verrechneten Entgelte bis einschließlich Januar 2005, insgesamt einen Betrag von 109.253,92 Euro von der Beklagten zurück.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie an die Sonderkonditionen gegenüber der Klägerin nicht gebunden sei und ihre „Teilkündigung“ der Nutzungsbedingungen berechtigt sei, weil ihre Kunden Geldautomaten der Klägerin kaum in Anspruch nähmen. Die Klägerin missbrauche die Nutzungsbedingungen in wettbewerbswidriger Weise, weil sie mit kostenloser Kontoführung werbe und andererseits auf Kosten der Betreiber von fremden Geldausgabeautomaten den Aufbau eines eigenen flächendeckenden Filialnetzes ersparen wolle.
Das Landgericht Heidelberg hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten zum Oberlandesgericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.
Der Senat geht wie das Landgericht davon aus, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von ihr vorgenommene Belastungsbuchungen zu erstatten, da sie ungerechtfertigt bereichert ist. Sie kann die Klägerin nicht so behandeln, als sei sie nicht Mitgliedsbank des BVR und stünde außerhalb des BankCard ServiceNetzes. Zwischen den Parteien bestehen nämlich unmittelbar vertragliche Beziehungen, nach denen die Beklagte verpflichtet ist, die Abhebungen der Kunden der Klägerin an ihren Geldautomaten zu den Sonderkonditionen der Nutzungsbedingungen für das BankCard ServiceNetzes vorzunehmen. Die Nutzungsbedingungen für das BankCard ServiceNetz gelten zwischen den teilnehmenden Banken. Ihnen liegt ein mehrseitiger Vertrag aller teilnehmenden Banken zugrunde, der unmittelbar Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Kreditinstituten zur Folge hat. Der BVR stellt den angeschlossenen Mitgliedsbanken die Bedingungen zur Verfügung. Die angeschlossenen Banken können über ihre Teilnahme am BankCard ServiceNetz selbst durch eigene Erklärung gegenüber dem BVR entscheiden. Durch ihre Teilnahmeerklärung gegenüber dem BVR begründete die Beklagte eine unmittelbare schuldrechtliche Verpflichtung auch gegenüber der Klägerin. Sie muss also auch Kunden anderer teilnehmender Banken, etwa die der Klägerin, ohne weitere Unterscheidung zu den Sonderkonditionen an ihren Geldautomaten verfügen lassen. Sie kann dafür nur einen Betrag in Höhe des vereinbarten Entgeltes von 1,02 Euro pro Geldabhebung verlangen. Von dieser vertraglichen Verpflichtung kann sich die Beklagte nur nach Maßgabe der Austrittsklausel der Nutzungsbedingungen lösen. Dies setzt eine Kündigung mit einer Frist von einem halben Jahr zum Jahresende voraus. Die Vertragsbeziehung kann nur gegenüber allen teilnehmenden Instituten, nicht aber gegenüber einem einzelnen Institut gelöst werden. Eine solche Einzel- oder Teilkündigung ist nach dem allein maßgeblichen Vertragsinhalt nicht möglich. Da danach nach wie vor eine vertragliche Beziehung zwischen den Parteien besteht, ist der Einzug eines höheren Entgelts per Lastschrift der Beklagten nicht gerechtfertigt und vertragswidrig.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
– Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 01.08.2006 – 17 U 359/05 –
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