OLG Celle: Rechtsprechung zur „ruinösen“ Ehegattenbürgschaft nicht auf Gesellschafterbürgen anwendbar
Mit Beschluss vom 01.03.2007 (3 W 29/07) hat das OLG Celle noch einmal ausdrücklich bekräftigt, dass die Grundsätze zur Unwirksamkeit ruinöser Bürgschaften naher Angehöriger (so genannte Ehegatten-Bürgschaften) nicht auf Gesellschafterbürgen anwendbar sind.
Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter nur Minderheitsgesellschafter des Unternehmens (hier: GmbH) und nicht mit der Geschäftsführung betraut ist. Weder eine krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten können daher die Vermutung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB begründen.
Im entschiedenen Fall hatte die Beklagte (Ehefrau) Ende 1994 den Geschäftsanteil ihres Ehemannes einer GmbH erworben. Sie hielt damit 50 Prozent des Stammkapitals der Gesellschaft. 1995 übernahmen sie und ihr Ehemann gesamtschuldnerisch eine Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden, künftigen, bedingten oder befristeten Forderungen der GmbH. Im April 2005 kündigte die Klägerin sämtliche Geschäftsbeziehungen mit der GmbH und nahm wegen einer Forderung in Höhe von 400.000 Euro die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch. Diese hielt den Bürgschaftsvertrag gemäß § 138 BGB für nichtig, weil sie krass finanziell überfordert sei und die Klägerin dies bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags hätte erkennen können.
Das angerufene OLG Celle entschied als Beschwerdegericht in dem zugleich anhängigen Prozesskostenbewilligungsverfahren, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, weil ihre Rechtsverteidigung voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Hierzu führte das OLG wie folgt aus:
„…
1. Aus einer krassen finanziellen Überforderung durch die Bürgschaft kann die Beklagte eine Unwirksamkeit der Bürgschaft nicht herleiten.
a) Die Beklagte verkennt nicht, dass für die Bürgschaften von GmbHGesellschaftern besondere Regelungen gelten. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Grundsätze zur Wirksamkeit ruinöser Bürgschaften naher Angehöriger für Gesellschafterbürgen nicht gelten, selbst dann nicht, wenn der Gesellschafter nur Minderheitsgesellschafter der kreditsuchenden GmbH ist und mit der Geschäftsführung nicht betraut ist (vgl. z. B. BGH, MDR 2003, 342). Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, lässt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung unbeanstandet. Weder eine krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten können daher die Vermutung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB begründen.
b) Soweit der Bundesgerichtshof Ausnahmen zulässt, sind diese vorliegend sämtlich nicht einschlägig.
Eine Ausnahme macht der Bundesgerichtshof für den Fall, dass der Geschäftsführer nur über eine Splitterbeteiligung verfügt. Eine solche liegt aber nur dann vor, wenn die Beteiligung weniger als 10 % ausmacht, da dann der Gesellschafter nicht einmal das Recht aus § 50 GmbHG hat (vgl. ebenda).
Die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger sollen ausnahmsweise dann anwendbar sein, wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, dass derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat (vgl. BGH, MDR 2002, 468). Auch dafür ist letztlich nichts ersichtlich. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass jedenfalls in den Jahren nach Übernahme der Bürgschaft in erheblichem Umfang Gewinnausschüttungen erfolgt sein sollen.
2. Sind – wie hier – die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger nicht anwendbar, können nur besondere, dem Kreditinstitut zurechenbare Umstände die Bürgschaft eines Gesellschafters sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, ebenda). Solche Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass auf die Beklagte durch die Klägerin in unzulässiger Weise Druck ausgeübt worden wäre. Dass eine Bank für den Fortbestand eines gefährdeten Kreditengagements – weitere – Sicherheiten verlangt, ist für sich genommen nicht zu beanstanden.
Damit kann dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte durch die Bürgschaftsübernahme finanziell krass überfordert wurde. Dagegen dürfte jedenfalls sprechen, dass die Gesellschaftsbeteiligung, wie durch die seitens der Beklagten nicht bestrittenen Gewinnausschüttungen belegt wird, einen erheblichen Wert hatte.
3. Schließlich ergibt sich für die Beklagte auch nichts aus § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Seit seinem Urteil vom 18. Mai 1995 (ZIP 1995, 1244) hält der Bundesgerichtshof die Erstreckung einer Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Forderungen der Bank in einer vorformulierten Zweckerklärung für unwirksam. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist zum einen, dass der Bürge, der eine einseitige, aber sehr weit gehende Haftung für fremde Schuld übernimmt, nicht erkennen kann, welche Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner bestehen. Zum anderen, dass der Bürge keinen Einfluss darauf nehmen kann, ob und inwieweit der Hauptschuldner durch neue Kreditaufnahme den Haftungsrahmen erweitert. Diese Argumentation passt auf die Beklagte in ihrer Funktion als Mitgesellschafterin von vornherein nicht (vgl. ebenda, 1248. NJW 2000, 658, 660). Sie war Gesellschafterin und damit in der Lage, sich Kenntnis vom Bestand und Umfang der Verpflichtungen der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin zu verschaffen (§ 51 a GmbHG). Sie war aufgrund des Umstandes, dass sie 50 % der Anteile hielt und damit gleichberechtigte Gesellschafterin war, weiter in der Lage, eine Erweiterung der bestehenden Verpflichtungen jedenfalls kraft ihrer Stellung als Gesellschafterin zumindest zu beeinflussen (s. a. OLG Hamm, WM 1997, 710, 712 f.), zumal ihr Ehemann auch Geschäftsführer der GmbH war und es sich überdies bei ihrer Bürgschaft um eine Höchstbetragsbürgschaft handelt und weiter der Höchstbetrag ihrer Verpflichtung, der sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht mehr durch Kosten und Zinsen erhöhen konnte (MDR 2002, 1260), niedriger war als der Umfang des Anlasskredits. Eine Erweiterung der Haftung durch weitere Kredite wäre ihr gegenüber keine Fremddisposition im Sinne von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, so dass es an einem Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGBGesetz bzw. § 307 Abs. 1 BGB n.F. fehlt. Dabei kommt es von vornherein nur auf die abstrakte Möglichkeit der Einflussnahme an. die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, sich ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung um die geschäftlichen Dinge nicht gekümmert zu haben.
Davon unabhängig geht der Bundesgerichtshof auch im Fall der Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung davon aus, dass sich daraus keine Totalnichtigkeit der Bürgschaft ergibt. Die Verpflichtung des Bürgen erstreckt sich in einem solchen Fall lediglich auf den sogenannten Anlasskredit, wie auch die Beklagte nicht verkennt. Anlasskredite in diesem Sinne sind nicht nur die „anlässlich“ der Bürgschaft eingegangenen Kreditverbindlichkeiten, sondern alle bereits bestehenden. Welche Kredite in diesem Sinne Anlasskredite waren, hat die Klägerin dargelegt. … Da es darauf aber schon nicht mehr ankommt, muss auch nicht geklärt werden, ob die Anlassverbindlichkeiten geringer sind als die Klagforderung. Dass auch bei Annahme einer unwirksamen Zweckerklärung die Klage jedenfalls überwiegend Erfolg hätte, zieht auch die Beklagte letztlich nicht in Zweifel.
…
5. Schließlich kann die Beklagte nicht damit gehört werden, sie sei lediglich Strohfrau gewesen. Dies kann unterstellt werden, ohne dass sich an ihrer Verpflichtung aus der Bürgschaft etwas änderte. Auch sogenannte Strohmanngeschäfte sind wirksam, wie auch das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss schon dargelegt hat.“
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Das Urteil kann im Volltext über die Rechtsprechungsdatenbank der OLG des Landes Niedersachsen abgerufen werden
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