Leserbrief: Technische Aspekte bei Schadensberechnung berücksichtigen
Heute erreichte uns eine E-Mail eines Lesers unserer Kanzlei-News. Der Leser brachte einige interessante Aspekte im Rahmen der eDonkey-Debatte zum Ausdruck. Mit der Genehmigung des Lesers möchten wir allen Anderen diese E-Mail nicht vorenthalten:
« BMJ: GmbH-Reform entwicklelt sich Neuer Referentenentwurf zur GmbH-Reform wird kritisiert »Sehr geehrter Herr Solmecke,
ich bin glücklicherweise zwar kein Betroffener, verfolge aber die Aktivitäten der Musikindustrie gegen Tauschbörsennutzer mit großem Interesse. Insbesondere die Summen, die als entstandener Schaden von der MI genannt werden, fanden stets meine große Aufmerksamkeit.
Erst vor ein paar Tagen stellte ich in einer Newsgroup eine entsprechende Rechnung an, wie hoch der *maximal* möglich anrechenbare Schaden sein kann, den ein Tauschbörsennutzer angerichtet haben könnte.
Durch einen Link eines Mitlesenden kam ich auf Ihre (hervorragend gemachte) Seite und hörte so auch Ihr Interview, in dem Sie sich zu den 10.000 Euro pro Song äußern.
Und genau das, was Sie dort sagten, ist nämlich genau der Punkt – den offenbar bisher noch niemand einem Richter oder Staatsanwalt wirklich verständlich machen konnte: Der maximal mögliche Schaden berechnet sich ausschließlich aus der maximalen effektiven Upstream-Geschwindigkeit des Tauschbörsenprogrammes multipliziert mit der nachgewiesenen Zeit in der Tauschbörse geteilt durch die übliche Liedgröße/Song mal den üblichen Marktpreis/Song.
Mit großer Freude habe ich vernommen, dass nun zumindest ein Verteidiger auch diese Logik erkannt hat und hoffe, dass sich diese Erkenntnis weiter fortsetzt bis hin zu Staatsanwälten und Richtern.
Insbesondere – das ist für mich stets ein Indiz, dass das Prinzip Tauschbörse von Richtern/Staatsanwälten nicht wirklich verstanden wurde – sollte sich damit verbunden die Erkenntnis durchsetzen, dass für den durch Uploads entstandenen Schaden keinesfalls noch mit der Anzahl der Songs auf dem PC multipliziert werden darf! (Leider) wird die Uploadgeschwindigkeit ja nicht dadurch größer, dass ich mehr Songs auf meinem Rechner anbiete. In der Tauschbörse ist der Upload-Kanal in der Regel immer voll, ob ich 100 oder 100.000 Songs anbiete. der maximale Upstream kann nicht überschritten werden. Und der Download, für den die Songanzahl ja relevant sein könnte, sofern die Dateien illegal auf den Rechner gekommen sind, wird ja eben nicht im Straf- verfahren berücksichtigt. Daher müssen eigentlich immer alle Alarmglocken klingen, wenn auf die Anzahl der Dateien auf dem Rechner bei der Berechnung des Schadens Bezug genommen wird oder auch ein Staatsanwalt die Einstellung des Verfahrens von der Anzahl der Dateien abhängig macht.. Maßgeblich können letztlich nur die Upload-Geschwindigkeit und die Verweildauer in der Tauschbörse sein.
Wenn man einen Richter/Staatsanwalt zu dieser Erkenntnis bringen könnte, was hoffentlich möglich ist, dann sollte unbedingt noch mindestens der folgende Aspekt Beachtung finden:
Da es hier nicht um Diebstahl geht, wo einem anderen etwas Materielles oder Immaterielles weggenommen wurde, sondern um eine Urheberrechtsverletzung, die durch Kopieren entsteht, man natürlich überlegen, wem wodurch überhaupt welcher Schaden entstanden ist. Da niemandem etwas weggenommen wird, kann der Schaden also nur in einer nicht erfolgten Vergütung bestehen, bzw. in einem entgangenen Kauf, der ohne Tauschbörsenaktivität getätigt worden wäre, mit Tauschbörsenaktivität jedoch unterblieb. Nur das ist der einzige fiktive Schaden, der entsteht.
Um diesen Schaden realistisch einzuschätzen, ist es natürlich erforderlich, zu überlegen, ob denn wirklich jeder Download in der Tauschbörse im realen Leben tatsächlich auch zu einem Kauf geführt hätte. Lädt man sich wirklich nur das herunter, was man sonst gekauft hätte? Oder ist, wo man nur klicken muss und alles nichts kostet, der Umfang der downgeloadeten Dateien nicht *erheblich* größer als derjenigen, die man kaufen würde?. Hier ist natürlich ein weiter Ermessenspielraum gegeben, aber selbst wenn man davon ausginge, dass jeder 20. Download einen Kauf verhindert hat ( ich halte jeden 100. bis 200. für realistischer ), dann würde die oben berechnete maximale Schadenssumme (aufgrund Uplink-Speed und Tauschbörsendauer) auf ein 20-tel sinken. Einen solchen Faktor darf man meines Erachtens auf keinen Fall unberücksichtig lassen.
Weiterhin – das wissen natürlich nur Juristen, kämen noch die Fragen, ob im Urheberrechtsstrafverfahren die entgangenen Umsätze der Händler ( I-Tunes) Maßstab der Dinge sind, oder nur die entgangenen Umsätze der Tonträgerindustrie, oder gar nur die entgangenen Urheberrechtsabgaben? Das sind nun jedoch juristische Fragen, zu denen Sie mit Sicherheit mehr wissen als ich..
Ich freue mich auf jeden Fall über Ihre Aktivitäten – insbesodnere auch in der Internetöffentlichkeit – und wünsche Ihnen und Ihren Mandanten viel Erfolg!
mit freundlichen Grüßen Knut Singer