BVerfG: Anordnung eines dinglichen Arrests in Höhe von rund 28 Mio.
Zum Beschluss vom 29. Mai 2006 – 2 BvR 820/06 –
Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des
Verdachts der Förderung der Entwicklung von Atomwaffen wurde der
dingliche Arrest in das Vermögen des Beschwerdeführers angeordnet.
Nachdem der Bundesgerichtshof zunächst den dinglichen Arrest in Höhe von
rund 2,6 Mio € angeordnet hatte, erhöhte das Amtsgericht den
Arrestbetrag auf rund 28 Mio € Die Gerichte stützten die Anordnung
allein auf das Protokoll der Aussage eines in Malaysia vernommenen
Zeugen. Dieser habe bekundet, dass der Beschwerdeführer eine
Vergütungsvereinbarung über den Arrestbetrag geschlossen habe. Das Geld
sei an eine Reihe von Firmen geflossen, die dem Beschwerdeführer und
dessen Zulieferern gehörten.
Aufgrund des Arrestes wurden Pfändungen und eine Sicherungshypothek
angeordnet, deren Gesamtwert die Staatsanwaltschaft mit 1, 8 Mio. €
veranschlagt.
Die gegen die Arrestanordnung gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte
Erfolg. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, da sie den
Beschwerdeführer in seinem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG)
verletzen. Die Gerichte hätten sich auf die Aussage eines einzelnen
Zeugen gestützt, offensichtliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser
Aussage aber nicht erörtert und darüber hinaus nicht geprüft, ob an
Unternehmen gezahlte Beträge dem Beschwerdeführer wirtschaftlich
zugerechnet werden könnten. Die Sache wurde zu erneuter Entscheidung an
das Landgericht zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Wird im Wege vorläufiger Sicherungsmaßnahmen das gesamte oder nahezu
das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Betroffenen entzogen,
bedarf es angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in das
Eigentumsgrundrecht einer besonders sorgfältigen Prüfung und
eingehenden Darlegung, welche tatsächlichen und rechtlichen
Erwägungen der Annahme zu Grunde liegen, dass es sich um strafbar
erlangtes Vermögen handelt.
Gegenstand der Sicherungsmaßnahme ist nur der Vermögensvorteil, der
dem Verfall unterliegen könnte, den also der Täter oder Teilnehmer
für die Tat oder aus ihr erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der
Erlös aus einer Straftat unterliegt danach nur dann dem Verfall, wenn
der Täter zumindest zeitweise eine faktische (Mit )Verfügungsgewalt
innegehabt hat. Der Vermögenszuwachs muss dem Täter auf irgendeine
Weise wirtschaftlich zu Gute kommen. Das kann nicht ohne weiteres
vorausgesetzt werden, wenn der Täter als Beauftragter, Vertreter oder
Organ einer juristischen Person gehandelt hat und der Vorteil aus der
Straftat in deren Vermögen fließt. Regelmäßig ist vielmehr davon
auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene
Vermögensmasse verfügt, die von dem Privatvermögen des Beauftragten,
Vertreters oder Organs zu trennen ist.
Zur Begründung einer Verfallsanordnung gegen den als Organ einer
Gesellschaft handelnden Täter bedarf es der Feststellung, ob dieser
selbst etwas erlangt hat, das zu einer Änderung seiner
Vermögensbilanz geführt hat. Wird der Vermögensvorteil von der
Gesellschaft vereinnahmt, kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt
werden, dass der wirtschaftliche Wert der Geschäftsanteile im
Privatvermögen des Täters steigt oder dass sich der Zufluss auf die
Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt.
2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht
gerecht. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe einen Betrag von rund
28 Mio. € erhalten, ist unzureichend dargelegt. Es ist von
Verfassungs wegen nicht hinnehmbar, die Annahme auf die Aussage eines
einzigen Zeugen zu stützen, offensichtliche Zweifel gegenüber der
Glaubhaftigkeit dieser Aussage aber nicht zu erörtern. Das Gewicht
des Eingriffs macht es unverzichtbar, dass die anordnenden Gerichte
die Frage der Glaubhaftigkeit der Aussage eingehend darlegen und
begründen.
Gleichfalls allein auf die Aussage dieses Zeugen stützen die
befassten Gerichte die Annahme, die gezahlte Vergütung sei an Firmen
geflossen, die dem Beschwerdeführer oder seinen Zulieferern gehörten.
Es ist unzureichend, auf eine Begründung zu verzichten, weshalb an
Unternehmen gezahlte Beträge dem Beschwerdeführer wirtschaftlich so
zugerechnet werden könnten, dass sich gegen ihn, nicht aber gegen die
Unternehmen, eine Verfallsanordnung richten könnte. Die angegriffenen
Beschlüsse lassen die Art der Beteiligung des Beschwerdeführers an
den Unternehmen offen und ebenso seine Möglichkeiten, auf das dort
vereinnahmte Geld zuzugreifen. Bei der Anordnung eines Arrestes in
dieser Höhe genügen die Gerichte auch nicht den Anforderungen, wenn
sie sich allein auf das Protokoll einer Zeugenaussage stützen und
gleichzeitig darauf verzichten, sich die Finanzermittlungsakten in
diesem Verfahren von der Staatsanwaltschaft vorlegen zu lassen, zumal
die Staatsanwaltschaft ohnehin verpflichtet ist, diese mit der
Anklageerhebung dem Gericht vorzulegen.