MICHAEL Rechtsanwaelte

BSG: Unwiderrufliche Freistellung eines Arbeitnehmers läßt Versicherungspflicht NICHT (mehr) entfallen

von Rechtsanwalt Christoph Wink
Fachanwalt für Arbeitsrecht
 

  

Mit seinem Urteil vom 24.09.2008 (B 12 KR 22/07 R)  hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die vereinbarte, unwiderrufliche Freistellung eines Mitarbeiters bis zu dem Zeitpunkt seines Ausscheidens nicht zu einem Fortfall der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung führt – und damit zu einer erheblichen Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen beigetragen.

Im entschiedenen Fall war der 1951 geborene Kläger seit Juli 1980 bei der Beklagten (einer Krankenkasse) versicherungspflichtig beschäftigt und gleichzeitig bei ihr (freiwillig mit Anspruch auf Krankengeld) krankenversichert. Die Beteiligten schlossen am 08. 09. 2004 einen arbeitsgerichtlichen Vergleich, demzufolge das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30. 06. 2005 aufgehoben wurde, der Kläger unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt wurde und sich die Beklagte verpflichtete, die geschuldete Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen.

Durch Bescheid stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 11. 09. 2004 ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert sei, und setzte den monatlichen Beitrag ab dem 01. 10. 2004 für die Krankenversicherung des Klägers als nicht erwerbstätiges freiwilliges Mitglied auf 477,79 Euro fest. Mit weiterem Bescheid stellte die Beklagte als zuständige Einzugsstelle fest, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zum 10. 09. 2004 geendet habe. Die Widersprüche des Klägers wies sie zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem LSG und auch in letzter Instanz vor dem BSG Erfolg.

Das BSG entschied, dass der Kläger im streitigen Zeitraum im Sinn der Regelungen über die Versicherungspflicht gegen Entgelt abhängig beschäftigt war. Der Begriff der Beschäftigung setze voraus, dass (1.) ein Rechtsverhältnis (z. B. ein Arbeitsverhältnis) vorliegt, das die Erbringung von Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zum Inhalt hat, und (2.) dass dieses Rechtsverhältnis auch vollzogen wird. Von einem derartigen „Vollzug“ sei aber nicht allein bei tatsächlicher Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung auszugehen, stellte das BSG ausdrücklich klar.

  
  

Anmerkung 

Das Urteil ist zu begrüßen, da es in verschiedenerlei Hinsicht Rechtsklarheit im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung von Arbeitsvertragsparteien schafft.

Arbeitgebern ist nicht selten daran gelegen, einen „unbequemen“ Mitarbeiter zügig aus dem Unternehmen zu entfernen; für Arbeitnehmer besteht der Reiz der – unwiderruflichen – Freistellung in der Möglichkeit, sich während der Freistellungsphase „entspannt“ um einen neuen Arbeitsplatz aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis zu bewerben.

Zudem konnte im Rahmen der unwiderruflichen (nicht aber bei der widerruflichen) Freistellung zugleich eine Anrechnungsregelung hinsichtlich bestehender Urlaubsansprüchen und Ansprüche auf Überstundenvergütung getroffen werden.

Dieser Möglichkeit traten die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit) im Jahr 2005 entgegen. So wurde beschlossen, dass bei einer unwiderruflichen Freistellung das Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne in dem Moment ende, in dem die Freistellung einvernehmlich vereinbart und unwiderruflich ausgestaltet war. Anknüpfungspunkt war hiernach ausschließlich die tatsächliche „Beschäftigung“.

Die Konsequenz: Der Arbeitnehmer konnte/musste sich ab Beginn der Freistellungsphase in den Versicherungszweigen der Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Rentenversicherung selbst freiwillig versichern und hatte dabei den vollen Beitragssatz alleine tragen. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung war ihm dieser Weg sogar insgesamt versperrt.

Dies führte zu einer erheblichen Unsicherheit sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite und in der Praxis zugleich zu durchaus diffusen „Vermeidungsstrategien“. Der Abschluss von Aufhebungsverträgen (bzw. Abwicklungsverträgen) im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist durch die Entscheidung des BSG deutlich – und im Interesse beider Vertragsparteien – erleichtert worden.

   

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