MICHAEL Rechtsanwaelte

BGH: Formularmäßige „Farbwahlklausel“ für Schönheitsreparaturen unwirksam

von Rechtsanwalt Christoph Wink
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

 

Der BGH hat mit Urteil vom 18.06.08 (VIII ZR 224/07) eine Klausel in einem Mietvertrag (Wohnraummiete) für unwirksam erklärt, wonach der Mieter verpflichtet wurde, bei Schönheitsreparaturen nur „neutrale, deckende, helle Farben und Tapeten“ zu verwenden – und damit auch die gesamte formularmäßige Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen als unwirksam erachtet.

 Folgende Leitsätze stellte der BGH auf:

  1. Eine formularvertragliche Klausel, die den Mieter dazu verpflichtet, die auf ihn abgewälzten Schönheitsreparaturen in „neutralen, hellen, deckenden Farben und Tapeten auszuführen“, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam, wenn sie nicht auf den Zustand der Wohnung im Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache beschränkt ist, sondern auch für Schönheitsreparaturen gilt, die der Mieter im Laufe des Mietverhältnisses vorzunehmen hat.

  2. Die formularmäßige unangemessene Einengung des Mieters in der Art der Ausführung von Schönheitsreparaturen führt zur Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen schlechthin.

    

Im Fall war die Klägerin ist seit dem 1. Februar 2004 Mieterin einer Wohnung der Beklagten. Im Mietvertrag war geregelt:

„Die Schönheitsreparaturen werden vom Mieter getragen. Sie sind auch wäh-rend des Bestehens des Mietverhältnisses auszuführen. Spätestens sind diese Arbeiten im Allgemeinen und unter Berücksichtigung der individuellen Abnutzungserscheinungen entsprechend dem folgenden Fristenplan auszuführen bzw. ausführen zu lassen: In Küchen, Bädern und Duschen alle 3 Jahre, in Wohn-, Schlaf-, Hobbyräumen, Toiletten, Dielen, Fluren alle 5 Jahre, in anderen Nebenräumen alle 7 Jahre.

Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht und wie folgt auszuführen: Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren innen. Die Schönheitsreparaturen sind in neutralen, deckenden, hellen Farben und Tapeten auszuführen.  ….

Endet das Mietverhältnis vor Eintritt der Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, so ist der Mieter verpflichtet, die anteiligen Kosten für die Schönheitsreparaturen aufgrund eines Kostenvoranschlages eines vom Vermieter auszuwählenden Malerfachgeschäfts an den Vermieter nach folgender Maßgabe zu zahlen:
Liegen die letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit:

in Küchen, Bädern, Duschen: länger als 1 Jahr zurück = 33 % der Kosten des Kostenvoranschlages, länger als 2 Jahre zurück = 66 % der Kosten des Kos-tenvoranschlages
in Wohn-, Schlaf-, Hobbyräumen, Toiletten, Dielen und Fluren: länger als 1 Jahr zurück = 20 % der Kosten des Kostenvoranschlages, länger als 2 Jahre zurück = 40 % der Kosten des Kostenvoranschlages

…“

 

Im Prozess begehrte die Klägerin Feststellung, dass den Beklagten nach dem Mietvertrag kein Anspruch auf Ausführung von Schönheitsreparaturen zustehe. Dem gab der BGH letztlich statt.

Der BGH führt in der Entscheidung aus:

„… Auch der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die „Farbwahlklausel“ wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam sei (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist im Ergebnis beizupflichten.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die hier verwendete Klausel allerdings nicht schon daran, dass sie nicht hinreichend klar und verständlich ist. Für den durchschnittlichen Mieter ist ohne weiteres ersichtlich, was unter „hellen“ Farben zu verstehen ist und dass farbige Gestaltungen wie (zartes) Lindgrün oder Hellblau zwar „hell“ sein mögen, aber zu vielen Einrichtungsarten nicht passen und deshalb nicht als „neutral“, wie von der Klausel verlangt, angesehen werden können.

b) Die Klausel benachteiligt den Mieter aber deshalb unangemessen, weil sie ihn auch während des laufenden Mietverhältnisses zu einer Dekoration in der vorgegebenen Farbwahl verpflichtet und dadurch in der Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs einschränkt, ohne dass hierfür ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters besteht.

aa) Dem Vermieter ist zwar vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weitervermietung ein Interesse daran nicht abzusprechen, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der Literatur wird deshalb überwiegend angenommen, dass der Mieter nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses nicht mit einer ungewöhnlichen Dekoration zurückzugeben (LG Hamburg, NZM 1999, 838 – grellgrüne Küche; LG Berlin, GE 1995, 115 und 249 – blau lackierte Türrahmen bzw. farbig gestrichene Heizkörper; LG Aachen, WuM 1998, 596 – farbig lackierte Naturholzrahmen; LG Frankfurt am Main, NZM 2007, 922 – Anstrich mit „rotem Vollton“; Emmerich, NZM 2000, 1165, 1161; Kraemer, NZM 2003, 417, 421; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 535 Rdnr. 270; zum Gesichtspunkt der Vertragsverletzung vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 3. Aufl., S. 137 f.). In diese Richtung zielt auch die hier verwendete Farbwahlklausel. Sie setzt dem Mieter zwar mit der Beschränkung auf helle, neutrale und deckende Farben vielleicht einen etwas engeren Rahmen, legt ihn aber nicht auf eine spezielle Dekorationsweise fest. Sie stellt auf eine Bandbreite ab, die zu den unterschiedlichsten Einrichtungsstilen passt und deshalb für weite Mieterkreise annehmbar ist. Bezöge sie sich nur auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung, läge eine unangemessene Benachteiligung des Mieters nicht vor. Denn dieser könnte während der Mietzeit nach Belieben dekorieren und selbst entscheiden, ob er beispielsweise mit einem farbigen Anstrich in Kauf nehmen will, dass er am Ende des Mietverhältnisses einen Neuanstrich in neutralen Farben anbringen muss, obwohl die Dekoration noch nicht abgenutzt ist, oder ob er es vorzieht, die Schönheitsreparaturen schon während des Mietverhältnisses entsprechend der Farbwahlklausel in „hellen, neutralen, deckenden Farben“ auszuführen, womit ihm auch in gewissem Rahmen unterschiedliche Dekorationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision beschränkt sich die hier verwendete Farbwahlklausel aber nicht auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache. Denn der Klägerin ist in § 8 der Vertragsbedingungen ausdrücklich die Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen auch während des Bestehens des Mietverhältnisses auferlegt. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Farbwahlklausel für Schönheitsreparaturen, die der Mieter im Laufe des Mietverhältnisses durchführt, nicht gilt, sehen die Vertragsbedingungen nicht vor. Die Klausel verpflichtet den Mieter daher dazu, die Wohnung auch während der Dauer des – sich möglicherweise über viele Jahre erstreckenden – Mietverhältnisses in einem der Farbwahlklausel entsprechenden Zustand „vorzuhalten“, an dem der Vermieter aber erst im Zeitpunkt der Rückgabe im Hinblick auf eine baldige Weitervermietung ein berechtigtes Interesse hat. Eine formularvertragliche Beschränkung des Mieters, sich in der Wohnung nach seinem Geschmack einzurichten, für die kein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen ist, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (Senatsurteil vom 28. März 2007 – VIII ZR 199/06, NZM 2007, 398, Tz. 10)

c) Folge der unangemessenen Einengung des Mieters in der Art der Ausführung von Schönheitsreparaturen ist die Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen schlechthin. Eine Aufrechterhaltung der Vertragsbestimmungen über die Schönheitsreparaturen ohne die Farbwahlklausel oder mit dem Inhalt, dass die Farbwahlklausel nur für das Ende des Mietverhältnisses gilt, wäre nur mittels einer inhaltlichen und gegebenenfalls sprachlichen Umgestaltung möglich und käme einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion gleich. An die Stelle der unzulässigen Schönheitsreparaturklausel tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB (Senatsurteile vom 18. Oktober 2006, aaO, Tz. 27, sowie vom 5. März 2008 – VIII ZR 95/07, NZM 2008, 363, Tz. 20). „

 

   

Praxishinweis:

Das Urteil ist – insbesondere auf Mieterseite – mit Vorsicht zu genießen. Voreilige Schlüsse auf die Art der Wandgestaltung (Farbe und Material) sollten hieraus nicht gezogen werden. So beschäftigte sich die Richterschaft nur mit der Frage, ob einem Mieter für die Farbwahl während der Mietzeit Vorgaben gemacht werden können (was nach Ansicht des Verfassers folgerichtig verneint worden ist).

In welchem Zustand der Mieter die Wohnung letztlich zurückzugeben hat, steht auf einem anderen Blatt. Den Ausführungen des BGH zufolge ist es möglich, eine konkrete Regelung hinsichtlich der farblichen Gestaltung der Wohnung („neutral“ und „hell“, um eine bessere Neuvermietung zu ermöglichen) zu treffen: „Bezöge sie sich nur auf den Zeitpunkt der Rückgabe der Wohnung, läge eine unangemessene Benachteiligung des Mieters nicht vor„, führt der BGH in der Entscheidung aus. Unabhängig hiervon ist freilich die Frage, ob eine konkrete Farbverwendung in der Wohnung nicht ohnehin (auch ohne vertragliche Regelung) eine Schadensersatzpflicht des Mieters auslöst.

   

Linkhinweis:

Der Volltext  der Entscheidung kann über die Homepage des BGH (www.bundesgerichtshof.de) abgerufen werden.

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