BAG: Betriebsübernehmer ist an Inhalt eines Arbeitszeugnisses des Betriebsveräußerers gebunden
von Rechtsanwalt Christoph Wink
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.10.2007 (9 AZR 248/07) noch einmal ausdrücklich betont, dass der Arbeitgeber regelmäßig an den Inhalt eines von ihm erteilten Zwischenzeugnisses gebunden ist, wenn er ein Endzeugnis erteilt. Dies gelte auch dann, wenn der Betriebsveräußerer das Zwischenzeugnis vor einem Betriebsübergang erteilt hat und der Arbeitnehmer das Endzeugnis von dem Betriebserwerber verlangt.
Im entschiedenen Fall war der Kläger seit Juli 2000 bei einer GmbH beschäftigt. Diese hatte dem Kläger anlässlich eines am 01.03.2002 erfolgten Betriebsübergangs auf die Beklagte ein Zwischenzeugnis erteilt.
Sechs Monate nach dem Betriebsübergang kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis und erbat von dem Übernehmer, der Beklagten, ein Endzeugnis. Die Beklagte erteilte Zeugnis, welches sich aber lediglich auf den Zeitraum nach dem Betriebsübergang bezog. Zudem wich das Endzeugnis inhaltlich von dem Zwischenzeugnis ab: So enthielt es keine so detaillierte Tätigkeitsbeschreibung wie das Zwischenzeugnis; auch wurde die Leistung des Klägers als „immer zufriedenstellend“ bewertet, während das Zwischenzeugnis die Leistungen mit „stets zu unserer außerordentlichen Zufriedenheit“ benotet hatte.
Auf dem Klagewege verfolgte der Kläger nunmehr einen Zeugnisberichtigungsanspruch. Das Endzeugnis müsse die Zeit der Beschäftigung bei der Betriebveräußerin umfassen , außerdem seien die Formulierungen des Zwischenzeugnisses zu übernehmen. Hiergegen wandte die Beklagte ein, dass sie die Richtigkeit des Zwischenzeugnisses nicht beurteilen könne.
Das BAG urteilte, dass die Beklagte dem Kläger ein Endzeugnis mit dem beantragten Inhalt ausstellen müsse. Aufgrund des Betriebsübergangs sei sie in die ursprüngliche Arbeitgeberstellung eingetreten. Hieraus folgt sowohl die Pflicht zur Erstreckung des Zeugnisses auf die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses als auch die Bindung an den Inhalt des Zwischenzeugnisses. Das BAG führt aus:
„Im Regelfall besteht eine solche Bindung. Sie kann sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben. Daneben kann sie darauf beruhen, dass das Zeugnis Wissenserklärungen des Arbeitgebers zu Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers enthält, von denen er nur abrücken darf, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (Senat 21. Juni 2005 – 9 AZR 352/04 – Rn. 13, BAGE 115, 130) . Der Arbeitgeber ist nicht nur an erteilte Endzeugnisse gebunden. Auch ein Zwischenzeugnis dient wie ein Endzeugnis regelmäßig dazu, Dritte über die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu unterrichten. Im Fall eines Betriebsübergangs ist dieser Zweck besonders augenfällig (vgl. Schleßmann S. 60; Weuster/Scheer Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 9. Aufl. S. 25) . Um ihm gerecht zu werden, ist der Arbeitgeber für den Zeitraum, den das Zwischenzeugnis erfasst, grundsätzlich auch hinsichtlich des Inhalts des Endzeugnisses gebunden. Er kann vom Zwischenzeugnis nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers das rechtfertigen (vgl. BAG 1. Oktober 1998 – 6 AZR 176/97 – Rn. 20, AP BAT § 61 Nr. 2 = EzA BGB § 630 Nr. 21; 8. Februar 1972 – 1 AZR 189/71 – BAGE 24, 112; zu der regelmäßigen Bindung des neuen Arbeitgebers an das Zwischenzeugnis des Veräußerers auch zulasten des Arbeitnehmers im Fall eines Betriebsübergangs LAG Bremen 9. November 2000 – 4 Sa 101/00 – Rn. 77 f., NZA-RR 2001, 287) .“
Praxishinweis:
Arbeitszeugnisse sind für Arbeitnehmer von besonderere Bedeutung. Ihnen selbst dient es regelmäßig als Bewerbungsunterlage und (insbesondere bei Zwischenzeugnissen) zur Prüfung, wie sie (also Leistung und Sozialverhalten) von ihrem Arbeitgeber eingeschätzt werden. Für Dritte, insbesondere künftige Arbeitgeber, ist das Zeugnis Grundlage der Personalauswahl.
Daher ist jeder Arbeitnehmer gut beraten, sein Arbeitszeugnis gründlich zu überprüfen. Ist dieses fehlerhaft, besteht zugunsten des Arbeitnehmers ein Zeugnisberichtigungsanspruch, der gerichtlich verfolgt werden kann. Das Zwischenzeugnis ist dabei – wie der Fall zeigt – besonders hilfreich: an den Inhalt ist der Arbeitgeber gebunden, es sei denn, es liegen erhebliche Umstände vor, die eine anderweitige Beurteilung rechtfertigen können.
Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung kann über die Homepage des BAG (www.bundesarbeitsgericht.de) abgerufen werden.
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