LG Frankfurt a.M.: Schadensersatz bei verzögerter Umschaltung eines Telefonanschlusses
von Rechtsanwalt Christoph Wink
Das LG Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 11.06.2008 (3-13 O 61/06) entschieden, dass ein TK-Dienstleister, der die vertraglich geschuldete Umschaltung eines Telefon-Festnetzanschlusses pflichtwidrig verzögert, dem Kunden zum Ersatz des aus der Verzögerung resultierenden Schadens verpflichtet ist; hierbei sei für die Umschaltung ein Zeitraum von rund 11 Tagen erforderlich, jedenfalls aber als ausreichend anzusehen.
Folgende Leitsätze lassen sich zu der Entscheidung aufstellen:
- Ein TK-Dienstleister hat bei einem (vertraglich vorgesehenen) Umzug seines Kunden unverzüglich alle erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten und den Kunden bei dem Umzug zu unterstützen. Eine Umschaltdauer von 11 Tagen ist in der Regel erforderlich und ausreichend; Bearbeitungszeiten von 17 oder 25 Tagen erfüllen diese Anforderung nicht – hierdurch wird eine Vertragspflichtverletzung begründet.
- Es reicht aus, wenn der Kunde hinsichtlich der Lage der TAE-Anschlussdose eine allgemeine Angabe tätigt (z.B. Einfamilienhaus, Keller). Die Angabe der exakten Lage der TAE-Dose in einem Einfamilienhaus oder auch in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ist für Schaltung einer Teilnehmeranschlussleitung aus technischer Sicht nicht erforderlich.
- Eine in AGB enthaltene Haftungsbeschränkung greift in einem solchen Fall nicht durch, weil kein Fall der einfachen Fahrlässigkeit vorliegt und weil diese Pflichtverletzung die Kardinalpflicht aus dem Telekommunikationsvertrag betrifft.
- Ein parallel bestehender Handy-Anschluss ist nicht als vollgültiger Ersatz für den Festnetzanschluss anzusehen, der einen reibungsloseren Fax-Verkehr und den Internetzugang einschließt.
Der zugrunde liegende Fall:
Der Kläger, ein gewerblicher Kunde (Versicherung) des beklagten TK-Unternehmens, hatte am 10.02.2003 die Umschaltung seines geschäftlichen Telefonanschlusses innerhalb Berlins zum 01.03.2003 beauftragt. Die erste Bearbeitung durch die Beklagte erfolgte mit Schreiben vom 07.03.2003, also 25 Tage nach der Antragstellung und 7 Tage nach dem beauftragten Umschalttermin, mit dem die Beklagte die „eindeutige Lage des Telefonanschlusses (Lage der TAE Dose)“ wissen wollte. Diese hatte der Kläger jedoch bereits im Rahmen seines (Online-) Umzugsauftrages mitgeteilt („Souterrain“) – eine nähere Konkretisierung hielt das LG nicht für erforderlich. Die Beklagte erhielt vom Kläger die Mitteilung der Lage der Telefonschlussdose mit „Einfamilienhaus – Keller“ dann nochmals am 11.03.2003. Es dauerte dann weitere 17 Tage, bis
die Beklagte am 28.03.2003 die Umschaltung online beantragte, die dann letztlich am 08.04.2003 erfolgte.
Insoweit wurden für den „Umzug“ (Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung an der neuen Adresse) faktisch 11 Tage benötigt. Daher war die Beklagte nach Ansicht des LG Frankfurt verpflichtet, „die Umschaltung am 01.03.2003 vorzunehmen oder dem Kläger jede Unterstützung zukommen zu lassen, um diesen Umschalttermin sicherzustellen.“ Im Wege der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) wurde die Beklagte zur Zahlung von rund € 13.000,- verurteilt.
Praxishinweis:
Der TK-Dienstleistungssektor zeichnet sich durch einen starken Konkurrenzkampf aus. Kunden beschweren sich immer mehr über Fehler auf Seiten der Anbieter (Vertragsgestaltung, Abrechnung, Mängel der Leistungserbringung, etc.) und insbesondere über fehlende kompetente Ansprechpartner und erhebliche Bearbeitungszeiten.
Wie die Entscheidung zeigt, ist der Kunde von TK-Dienstleistern jedoch nicht rechtlos gestellt; Pflichtverletzungen können vielmehr Ansprüche zugunsten der Kunden begründen. Jedoch zeigt die Praxis auch, dass die konkrete Rechtsverfolgung durchaus problembehaftet ist, da es häufig an beweiskräftigen Informationen mangelt. Daher ist dringend anzuraten, bei Problemfällen schriftlich zu agieren, sämtliche Korrespondenz sorgsam aufzubewahren und sich nicht darauf zu verlassen, dass ein Anruf bei dem TK-Anbieter zur Problemlösung ausreicht (im Zweifel wird sich der kontaktierte Mitarbeiter später nicht mehr an das konkret geführte Gespräch erinnern).
Hinsichtlich der Schadenersatzansprüche (die hier immerhin mit rund € 13.000,- ausgeurteilt wurden) sollte das Urteil keine Euphorie auslösen. Zwar gestattet § 287 ZPO eine Schätzung des Schadens durch das Gericht; jedoch ist es einem Gericht verwehrt, eine Schadensschätzung „ins Blaue“ ohne die erforderliche Tatsachengrundlagen vorzunehmen. Daher bedarf es einer sehr dezidierten Darstellung aller für die Schadensschätzung erforderlichen Umstände – hierin liegt ein nicht unerhebliches Prozess- und damit auch Kostenrisiko, da in Anbetracht der Streitwerte und der regelmäßig einzuholenden Sachverständigengutachen (dies erfolgte auch in dem vorliegenden Fall) erhebliche Gebühren anfallen.
Linkhinweis:
Die Entscheidung kann im Volltext über die Internetpräsenz von MIR (www.medien-internet-und-recht.de), abgerufen werden (MIR 2008, Dok. 271).
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