LG Karlsruhe: 1,2,3… (nun doch) keine Hehlerei !!!
In einer Aufsehen erregenden Entscheidung verurteilte das AG Pforzheim am 26.06.2007 (8 Cs 84 Js 5040/07) einen eBay-Käufer wegen Hehlerei, weil dieser über eBay ein „nagelneues“ (so die Produktbeschreibung) Navigationssystem (Wert: mindestens € 2.137,-) zu einem Gebot von € 672,- (bei einem Startgebot von € 1,-) erwarb.
Es stellte sich hiernach freilich die Frage, ob und inwieweit ein Käufer überhaupt noch neue Ware über eBay günstig ersteigern kann, ohne sich in die Gefahr zu begeben, strafrechtlich belangt zu werden.
Das obige Urteil hob das LG Karlsruhe mit Urteil vom 28.09.2007 (18 AK 136/07 – Ns 84 Js 5040/07) auf und sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Hehlerei frei.
Das LG Karlsruhe führt in seiner Entscheidung aus:
- „Für die innere Tatseite der Hehlerei gem. § 259 StGB ist erforderlich, dass der Täter mit (mindestens bedingtem) Vorsatz bezüglich der Vortat und der Hehlereihandlung handelt und mit der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Der Täter muss wissen, dass die Sache durch eine rechtswidrige Tat erlangt ist. … Es reicht nicht aus festzustellen, ein Angeklagter habe bei dem Erwerb einer gestohlenen Sache mit der Möglichkeit gerechnet (oder gar nur rechnen müssen), sie stamme aus einer rechtswidrigen Tat. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, der Angeklagte habe die als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf genommen oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abgefunden (BGH NStZ-RR 2000, 106).“
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- „Der Umstand, dass trotz des erheblichen Werts des angebotenen Navigationsgeräts der Startpreis lediglich 1,- EUR betrug, ist kein taugliches Indiz dafür, dass der Angeklagte es für möglich gehalten hätte, er steigere auf Diebesgut. … Wenngleich bei vielen Onlineversteigerungen über „eBay“ auch teils sehr hohe Startpreise festgelegt werden, weil die Anbieter fürchten, ansonsten könne der angebotene Gegenstand einen Zuschlag weit unter Wert erhalten, machen doch die meisten Anbieter hiervon keinen Gebrauch. Die Angabe eines geringen Startpreises kann auf den unterschiedlichsten Motiven des Anbieters beruhen, wie etwa einer beabsichtigten Ersparnis höherer Gebühren für einen höheren Startpreis, Werbezwecken bzw. der Erreichung eines größeren Bieterkreises oder der Erwartung auch über eine niedrig beginnende Auktion einen besonders hohen Preis im Rahmen der Auktion zu erzielen (vgl. OLG Köln MMR 2007, 446; zitiert nach JURIS), denn durch niedrige Startpreise werden auch solche Interessenten zur Teilnahme an einer Versteigerung veranlasst, die bei hohen Startangeboten sofort abgeschreckt würden. Je mehr Interessenten Gebote abgeben, desto eher kann der Anbieter darauf hoffen, dass die Angebote sich hochschaukeln, vielleicht durch Mitzieheffekte auch solche Angebote abgegeben werden, die die Interessenten ursprünglich nicht ins Auge gefasst hatten, und insgesamt ein interessanter Zuschlagspreis erreicht wird.“
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- „Der Preis, zu dem im Fall des Angeklagten der Zuschlag erfolgte, ist ebenfalls nicht geeignet, seine Einlassungen zu widerlegen. Zunächst einmal ist der Zuschlagspreis weder vom Käufer noch vom Anbieter (so er sich nicht unlauterer Methoden wie der Einschaltung von Scheinbietern bedient) nicht direkt zu beeinflussen. Jede Versteigerung hat ihre eigene Dynamik. Ein Artikel kann durch die geschilderten Mitzieheffekte teurer werden als bei einem Einkauf in einem normalen Laden, es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein. Erfahrene „eBay“-Mitglieder wissen das und hoffen gerade darum, durch geschicktes Bieten und das Einhalten selbst gewählter Angebotsobergrenzen früher oder später ein „Schnäppchen“ zu machen. Dass der Angeklagte ein Gerät, von dem er selbst wusste, dass er beim Vertragshändler (ohne Einbauzubehör) etwa 2100,- EUR zahlen müsste, für nur 671,- EUR bekommen konnte, war für ihn als erfahrenes „eBay“-Mitglied daher noch kein Anlass zu besonderem Misstrauen.
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Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Einlassung des Angeklagten, er sei davon ausgegangen, es handele sich um sogenannte „B-Ware“, durchaus plausibel ist. Als „B-Ware“ werden Verkaufsartikel bezeichnet, die aus dem normalen Vertrieb eines Händlers herausfallen und zum Sonderpreis angeboten werden, dabei aber neu bzw. neuwertig und voll funktionsfähig sind sowie der regulären Gewährleistung unterliegen. Dabei kann es sich um Artikel handeln, die nicht mehr original verpackt sind, aber als neu gelten, weil sie z. B. nur einmal ausgepackt und vorgeführt bzw. vom Kunden angesehen wurden, oder um Retouren aus dem Versandhandel, um sogenannte Serviceware, also Artikel, die bereits einmal repariert und so in einen neuwertigen Stand zurückversetzt wurden, um Rest- bzw. Sonderposten oder um Artikel, die zum Zweck des Garantieumtausches im Herstellerlager vorgehalten wurden und bei Auslaufen der Produktreihe ebenfalls in den Verkauf gelangen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt der Auktion Geräte wie das vom Angeklagten ersteigerte tatsächlich als „B-Ware“ gehandelt wurden, denn solch detailliertes Insiderwissen hatte der Angeklagte nicht. Fest steht jedenfalls, dass es in vielen Bereichen derartige „B-Ware“ tatsächlich gibt und solche Artikel mit zum Teil ganz erheblichen Preisnachlässen gehandelt werden. Damit ist seine Einlassung nachvollziehbar.“
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- Dass der Anbieter des Navigationsgeräts sich in Polen befand, kann ebenfalls nicht als Indiz dafür herangezogen werden, dass der Angeklagte mit Diebesgut gerechnet habe. Die Republik Polen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union, der Volkswagen-Konzern ist in Polen als Hersteller präsent.
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- „Dafür, dass der Angeklagte gerade nicht dachte, er habe es womöglich mit einem Anbieter gestohlener (oder sonst zweifelhafter) Ware zu tun, spricht hingegen, dass das von ihm vor der Angebotsabgabe studierte Bewertungsprofil für „k.“ hervorragend ausgefallen war. Das Bewertungsprofil wies bei 791 Verkäufen eine Quote von 99 % positiven Bewertungen aus. Das deutete darauf hin, dass zuvor bei einer Vielzahl von Transaktionen alles mit rechten Dingen zugegangen war. “
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- „Schließlich weist auch der Aspekt, dass der Angeklagte Vorkasse leistete, eher darauf hin, dass er nicht mit der Möglichkeit kalkulierte, es werde ihm Hehlgut angeboten. Hätte der Angeklagte diese Möglichkeit bedacht, dann wäre er nämlich zwangsläufig davon ausgegangen, es bei „k.“ mit einem Kriminellen zu tun zu haben. Dann hätte natürlich auch auf der Hand gelegen, dass er selbst Opfer dieses Straftäters werden könne, z. B. indem er nach Zahlung überhaupt nichts geliefert bekäme. Es ist lebensfremd zu unterstellen, der Angeklagte hätte in diesem Fall bewusst mehrere hundert Euro aufs Spiel gesetzt. “
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- „Schließlich lässt sich auch die für den Tatbestand des § 259 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht nicht nachweisen. Bereicherungsabsicht im Sinne des § 259 StGB fehlt, wenn nach Vorstellung des Täters eine entsprechende Sache anderswo auf legalem Weg zum gleichen Preis erhältlich ist (S/S-Stree, a.a.O. Rn 47 m.w.N.). Vorliegend ist zumindest nicht zu widerlegen, dass (legale) Navigationsgeräte des vom Angeklagten ersteigerten Typs zur Tatzeit in einem Preissegment von 500,- bis 800,- EUR über „eBay“ erhältlich waren. „
Linkhinweis:
Das Urteil kann über die Rechtsprechungsdatenbank des Landes Baden-Württemberg im Volltext abgerufen werden.
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