MICHAEL Rechtsanwaelte

BGH bewertet tödliche Kochsalzdosis als Gift

In einem aktuellen Fall hatte der BGH zu bewerten, ob eine Kochsalzlösung, die einem Kind verabreicht worden war, als Gift zu bewerten ist. Der BGH bejahte diese Frage und ging im konkreten Fall von einer gefährlichen Körperverletzung aus:

Die zur Tatzeit 22-jährige Angeklagte befand sich mit der Tochter ihres Lebensgefährten und ihrem gemeinsamen Säugling in ihrer Wohnung, als das vierjährige Mädchen irrtümlich 32 Gramm Kochsalz in einen Schokoladenpudding rührte. Zur Strafe zwang die Stiefmutter das sich sträubende Kind den Pudding vollständig auszulöffeln.
Sie wusste dabei nicht, dass die Aufnahme von 0,5 bis 1 g Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht (das Mädchen wog 15 kg) in aller Regel zum Tode führt. Für einen Erwachsenen gelten daher über den Tag verteilt ca.10 Esslöffel Salz als tödlich.
Das Mädchen hatte somit das Doppelte der tödlichen Menge eingenommen. Ihr Zustand verschlechterte sich demnach erheblich, sodass die Angeklagte sie ins Krankenhaus brachte, wo sie auf Grund einer Kochsalzvergiftung 34 Stunden später starb.
Das Landgericht Frankenthal hat die Tat lediglich als „einfache“ Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) gewertet. Eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts wurde bereits deshalb ausgeschlossen, da keine Anhaltspunkte für einen Tötungsvorsatz vorhanden waren. Auch eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) hat es mangels Vorhersehbarkeit des tödlichen Erfolges verneint.

Gegen dieses Urteil haben die Angeklagte, die leibliche Mutter des Mädchens als Nebenklägerin sowie die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Stiefmutter hatte im Prozess jegliche Tatbeteiligung bestritten

Nach den Worten der BGH-Strafsenatsvorsitzenden Ingeborg Tepperwien ist die Beweiswürdigung des Landgerichts jedoch nicht zu beanstanden, wonach das Mädchen den versalzenen Pudding nicht freiwillig gegessen hat. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat den Schuldspruch im Urteil vom 16. März 2006 allerdings dahin geändert, dass die Angeklagte der „gefährlichen“ Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB) schuldig ist. Diese Vorschrift erfasst das Beibringen von Gift und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, die im konkreten Fall die Eigenschaft eines Giftes haben. Dies hat der Senat auch für an sich unschädliche Stoffe des täglichen Bedarfs (hier: Kochsalz) bejaht, wenn ihre Beibringung mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Körperschädigung verbunden ist. Der BGH stufte die Tat nun zwar, anders als das Landgericht, als gefährliche Körperverletzung ein, beließ es aber bei der Strafhöhe.

Die 14-monatige Bewährungsstrafe für die Stiefmutter ist demnach rechtskräftig.

Die Senatsvorsitzende Ingeborg Tepperwien räumte ein, dass vielen die Reaktion der Justiz als zu milde erscheinen möge. Doch die Richterin machte deutlich, dass sich ein Gericht hier nicht allein an den schrecklichen Folgen der Tat orientieren kann. Denn dass gut 30 Gramm Kochsalz bei einem Kind tödlich wirken – das hätte wohl kaum jemand gewusst. Tepperwien brachte die gefühlte Widersprüchlichkeit des Urteils auf den Punkt: „Für den Tod des Kindes kann die Angeklagte, obwohl sie ihn verursacht hat, nicht verantwortlich gemacht werden.“

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